Einschnitt [1]

[245] Einschnitt, im Straßenbau. – Ueberall, wo die Oberfläche einer Straße oder eines Eisenbahnplanums der Steigungsverhältnisse wegen tiefer zu liegen kommt als die Erdoberfläche, wird ein Einschnitt erforderlich, der entweder an abhängiger Talwand diese nur »anschneidet« (s. Fig. 1) oder eine Erderhebung vollständig durchschneidet (s. Fig. 2).

In beiden Fällen ist die Neigung der Böschungen von der Bodenart der angeschnittenen Erdschichten abhängig und wird daher, um Abrutschungen zu vermeiden, für die lockeren [245] Bodenarten (s.d.), ganz wie bei Dammschüttungen, der natürlichen Böschung der betreffenden Bodenart entsprechen müssen, also 1,5 : 1 bis 2 : 1 (Breite: Höhe) betragen. Stichboden gestattet steilere Böschungen bis zu 1 : 1, während bei Felsboden je nach der Schichtung, Zerklüftung und Wetterbeständigkeit, die Böschung lotrecht, ja sogar überhängend angenommen werden kann. Ueber die Befestigung und Entwässerung der Böschungen gibt der Artikel Böschungsarbeiten Auskunft. Statt der Anwendung von Bermen (s.d.), die das Eindringen des Regenwassers in das Innere der Bölchung nur erleichtern, kann bei gleicher Abtragsmasse ein kleinerer Neigungswinkel angenommen werden (s. Fig. 3). Nur am Fuße der Böschung ist es zweckmäßig, vor dem Graben eine Berme anzuordnen, um den letzteren vor einer Verschüttung durch etwa herabgleitende Massen zu schützen. Der Einschnittgraben hat nicht allein das von den Böschungen herabfließende Wasser aufzunehmen, sondern auch zur Entwässerung des Straßen- oder Eisenbahnplanums zu dienen und ist demnach mindestens 0,75 m tief und in der Sohle etwa 0,3 m breit zu bemessen. Sein Gefälle muß mindestens 1 : 500 betragen; hat die Einschnittsohle ein geringeres Gefälle, so ist der Graben in der Richtung des Gefälles entsprechend zu vertiefen, was, unter Beibehaltung der üblichen Grabenböschungen, eine Verbreiterung des ganzen Einschnitts oder eine Einfassung des Grabens mit Mauern oder endlich die Anordnung einer Drainleitung unter der Grabensohle erfordert. – Die Inangriffnahme eines Einschnitts hat stets mit Steigung, d.h. in der Weise zu geschehen, daß gleichzeitig eine Entwässerung desselben erfolgt; sodann ist es wünschenswert, daß die Lösung des Bodens möglichst am Fuß der Böschung geschieht, um ein selbsttätiges Nachstürzen der Erdmassen, soweit dieses für die Arbeiter ungefährlich ist, ausnutzen zu können; ferner sind möglichst lange Angriffswände oder auch durch Bildung von Terrassen möglichst viele Angriffsstellen anzuordnen, damit viele Fördergefäße gleichzeitig verwendet werden können. – Die Bodenlösung kann von Hand oder durch Grabmaschinen erfolgen. Geschieht sie von Hand, so kommen als Beförderungsmittel der Schubkarren, der Kippkarren und die verschiedenen, auf Gleisen durch Menschen-, Pferde- oder Dampfkraft bewegten Erdwagen in Betracht, je nachdem die zu bewegenden Erdmassen und die Beförderungsweiten kleiner oder größer sind, und je nach der Steigung, die, den örtlichen Geländeverhältnissen entsprechend, den Fahrbahnen und Gleisen gegeben werden kann. In der Regel bildet die Handarbeit und die Schubkarrenförderung den Beginn. Es wird dabei der Einschnitt der Länge nach mit einem Schlitz versehen, der sich zunächst vertiefend, dann allmählich verbreiternd auf seiner Sohle die Karrdielen bezw. die Gleise aufnimmt, wobei durch Verschieben der letzteren den Förderwagen stets eine für das Aufladen bequeme Lage zu geben ist. Hat dieser erste Abhub bei entsprechender Höhe der seitlichen Abtragswände eine genügende Breite erlangt, so wird in seiner Sohle ein zweiter Schlitz angelegt und so bis zur Sohle des Einschnitts fortgefahren. Bei Felsboden ist bei dieser Art der Inangriffnahme auf das Fallen und Streichen der Schichten zu achten. Streichen sie parallel zur Längsrichtung des Einschnitts, so wird man das Aufschlitzen an der Seite beginnen, nach der die Schichten fallen, also nach Fig. 4 bei A, da geneigte Schichten am bellen von unten nach oben gelöst und gewonnen werden. Streichen die Schichten dagegen quer zur Längsrichtung, so muß, den Schichten entsprechend, die Lösung »vor Kopf«, am besten dem Längsschnitt nach terrassenförmig vorgenommen werden (s. Fig. 5). Handelt es sich um einen Anschnitt, so wird die Talwand zunächst in der Höhe der Sohlenebene des Einschnitts angeschnitten und mit einer Förderbahn versehen. Ist der Anschnitt sehr tief, so kann in verschiedenen Höhenlagen, die der beabsichtigten Höhe der Angriffswände entsprechen, gleichzeitig mit der Anschnittarbeit begonnen werden. Bei sehr hoch liegenden Einschnitten, die steile oder mit großen Umwegen anzulegende Förderbahnen bedingen, sind mit Vorteil sogenannte »Bremsberge« (s.d.) verwendet worden, während für sehr tiefe Einschnitte fast allgemein der englische Einschnittbetrieb (s. Einschnittbetrieb, englischer) sich eingebürgert hat.


Literatur: S. unter Erdarbeiten.

L. v. Willmann.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. 5.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 245-246.
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